Jenseits der Dunkelheit: Ein Interview mit der Fhainer Künstlerin „Rumpelstil“

In ihrer dritten Ausstellung im NIRGENDWO widmet sich die Berliner Künstlerin Rumpelstil dem Spannungsfeld zwischen Licht und Finsternis. „THE REALM BEYOND THE DARKNESS | Der Bereich jenseits der Dunkelheit“ präsentiert vom 8. bis 24. August 2025 surreale, abstrakte und schwarzlicht-dynamische Arbeiten – Malereien und Objekte, die sich im Dunkeln verwandeln und mit Wahrnehmung und Bedeutung spielen.

Im Interview mit uns spricht Rumpelstil über die besondere Phase nach dem Erlöschen des Lichts, das Potenzial von Dunkelheit als Erfahrungsraum – und warum gerade der Wechsel von Lichtverhältnissen eine tiefere Auseinandersetzung mit den eigenen Wahrnehmungsmustern herausfordert. Sie gibt Einblicke in neue Materialien wie nachleuchtende Mosaiksteine, reflektiert über ihren nächtlich getakteten Schaffensprozess – und erzählt, wie das kreative „Monster“ in ihr arbeitet, wenn es Zeit wird, Stroh zu Gold zu spinnen.

Deine kommende Ausstellung trägt den Titel “THE REALM BEYOND THE DARKNESS” | „DER BEREICH JENSEITS DER DUNKELHEIT“. Gibt es für dich persönlich eine Schwelle zwischen Licht und Dunkelheit, die du in deiner Kunst überschreitest? Wie zeigt sich dieses Überschreiten in deinen Werken – und gibt es ein Werk, das für dich besonders symbolisch für diesen Übergang steht?
Was fasziniert dich an diesem Grenzbereich?

Der Titel ist mehrdeutig. Einerseits geht es um die tatsächliche Dunkelheit, wenn alle Lichtquellen aus sind.
Da meine Kunst im Dunkeln nachleuchtet, ist diese Phase kurz nach Ausschalten des Lichtes die interessanteste für mich. In dem Moment zeigt sich, wo ich nachleuchtende Farbe oder Materialien verwendet habe. Ich ändere immer wieder die Beleuchtung, um die einzelnen Lichtphasen aufeinender abzustimmen.

Die Mehrzahl der Menschen nimmt 80 % der Reize über den Sehsinn auf. Können wir nichts sehen, weil es dunkel ist, kommen die anderen Sinne mehr zum Zuge. Außerdem weiten sich die Pupillen, um möglichst jedes Restlicht wahrzunehmen. In der Dunkelheit ist jede minimale Lichtquelle wie ein Hoffnungsschimmer.

Auf der metaphorischen Ebene assoziieren wir mit Dunkelheit das Unbekannte, Ungewisse, wir können nichts sehen und unsere Orientierung ist grob eingeschränkt. Die Dunkelheit löst Ängste aus, aber sie führt auch dazu, daß wir von der Betrachtung unserer Umgebung auf einen inneren Betrachtungsmodus wechseln. Wir werden auf uns selbst zurück geworfen. In den dunkelsten Situationen unseres Lebens lernen wir am meisten über uns selbst.

Du kombinierst in deinen Arbeiten verschiedenste Materialien und Medien – von Malerei über Objekte bis hin zu Schwarzlicht-Installationen. Gibt es ein Material oder Medium, das du für diese Ausstellung zum ersten Mal verwendest? Was hat dich dazu inspiriert, gerade dieses auszuprobieren?
Wie beeinflusst die Materialwahl deine künstlerische Erzählung speziell im „Bereich jenseits der Dunkelheit“?

Ja, nachleuchtende Mosaiksteine. Sie haben eine besondere Ausstrahlung.
Ich teste fast alles aus, was phosphoreszierend (nachleuchtend) ist. Diese Mosaiksteine leuchten anders als die Farben, so kann ich bestimmte Werkteile unterstreichen und die Aufmerksamkeit darauf lenken.

Dein Künstlername Rumpelstil steht für das „unberechenbare Monster“, das nachts tanzt und Stroh zu Gold spinnt. Wie viel von diesem ungezähmten, chaotischen Element steckt in deinen aktuellen Arbeiten? Wie gehst du damit um, wenn das Chaos im kreativen Prozess die Oberhand gewinnt?

Es ist weniger chaotisch als unberechenbar und unkontrollierbar. Rumpelstil steht für den kreativen Prozess in mir. Wenn die Idee oder Eingebung nicht kommt, hilft alles nichts. Ich kann nichts erzwingen.
Schwieriger ist der Umgang mit dem Umstand, daß Rumpelstil darauf beharrt, hauptsächlich in der Nacht das Stroh (Material / Farben) zu Gold (Bilder und Objekte) zu spinnen. Rumpelstil ist definitiv nachtaktiv und braucht die Dunkelheit, um sich zu entfalten und magische Momente und Werke zu erschaffen.

Sagen wir so, ich habe gelernt, mit diesem Schaffensprozess umzugehen. Ich bin nicht mehr verärgert darüber, daß es die ganze Nacht gedauert hat, bis Rumpelstil mit der Goldspinnerei fertig wird oder er darauf bestanden hat, die Nacht damit zu verbringen, um’s Feuer zu tanzen. Es ist dann halt so. Ich habe einen Deal mit ihm, er erschafft das Gold und ich opfere ihm meinen Schlaf und Energie dafür und kümmere mich um’s Stroh und den Bürokram.

Die Ausstellung wird als „schwarzlicht-dynamisch, surreal und abstrakt“ angekündigt. Wie erleben Besucher deine Werke, wenn sie im Schwarzlicht erscheinen? Gibt es eine Botschaft, die nur im Dunkeln sichtbar wird – oder ist das Unsichtbare selbst Teil deiner Aussage?

Die Änderung der Erscheinung der Bilder und Objekte durch die Beleuchtung ist eine subtile Botschaft. Ich sehe hier eine Analogie zu Ereignissen oder Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen. Die (Be-)Deutung von geschehenen Ereignissen ändert sich je nach Perspektive, Beleuchtung und vergangenem Zeitraum. Durch die veränderte Erscheinung ändert sich eventuell auch die Einschätzung oder Beurteilung.
Eine oberflächliche, vorschnelle Beurteilung führt oftmals zu falschen Einschätzungen. Insofern ist mein Spiel mit den unterschiedlichen Lichtphasen ein Aufruf, nicht vorschnell über etwas zu urteilen, sondern es sich genauer und in einem anderem Licht anzusehen.

Du verweigerst dich bewusst einer dualen Geschlechtszuordnung und bezeichnest dich als „kreatives Monster“. Wie spiegelt sich diese Haltung in deinen Werken wider, insbesondere im Kontext der neuen Ausstellung? Gibt es Motive oder Methoden, mit denen du die Grenzen von Identität und Wahrnehmung gezielt aufbrichst?

Ich als Person verweigere mich keineswegs einer dualen Geschlechtszuordnung; ich bin eine Frau.
Rumpelstil indessen lebt in mir, äußert sich durch meinen Körper und Geist, ist aber nicht menschlich, und ich bin mir nicht sicher, ob er/sie/es überhaupt ein Gechlecht hat.

Das Märchen der Gebrüder Grimm über Rumpelstilzchen, auf dem ja mein Name beruht, gibt Anlass zur Vermutung, daß sich Rumpelstilzchen nicht fortpflanzen kann. Warum sonst will er das erstgeborene Kind der Müllerstochter?
Gibt es überhaupt mehr von der Art oder ist Rumpelstil ein Einzelexemplar? Geschlecht ist für Rumpelstil nicht relevant / nicht existent, ich benutze aber oft das generische Maskulinum, um ihn zu beschreiben.
Meine Methode, die Grenzen der Wahrnehmung aufzubrechen ist die Verwendung von unterschiedlichen (normale, fluoreszierende und phophoreszierende) Farben, um mittels Schwarzlicht darauf hinzuweisen, daß es nur ein anderes Licht oder eben die Dunkelheit braucht, um eine ganz andere Wirkung hervorzurufen.
Nachts sind zwar alle Katzen grau, aber Rumpelstil’s Werke nicht.